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„Das Museum befindet sich wie die Gesellschaft in einem Wandel.“

Licht als Gestaltungsmittel in der Galleria Borghese, Rom. Bild: Timo Mäule.
Licht als Gestaltungsmittel in der Galleria Borghese, Rom. Bild: Timo Mäule.

Ein Interview mit Birgit Kadatz-Kuhn.

 

Birgit Kadatz-Kuhn ist selbstständig im Bereich der Ausstellungskonzeption und der Museumsberatung tätig. Sie studierte zunächst Kunstgeschichte, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften und Philosophie in Stuttgart, anschließend Musiktheater-Regie in Hamburg. Danach arbeitete sie als Regieassistentin und Spielleiterin am Staatstheater Stuttgart. Über zehn Jahre sammelte sie Erfahrungen im Bereich der Museums- und Ausstellungskonzeption im Atelier Brückner in Stuttgart. Als Dozentin unterrichtete sie an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart sowie an der Hochschule für Kunst und Design Basel. Im Jahr 2016 gründete sie das Büro bk-konzepte in München.

 

Könnten Sie Ihre aktuelle Tätigkeit, Ihren Beruf beschreiben?

Zum einen bin ich in der Museumsberatung tätig, ich betreue also die Weiterentwicklung von Museen, was unter anderem die Erstellung von Architektur- und Gestaltungsausschreibungen beinhaltet. Meine Hauptarbeit ist die Ausstellungskonzeption, also die Arbeit an den Exponaten und Inhalten sowie deren Vermittlung in einer Ausstellung. Die Beratung befasst sich mit der Hülle und der Zielsetzung, die Konzeption vertieft mit den Inhalten.

 

Welche Tätigkeiten führen Sie im Arbeitsalltag aus?

Recherche, Sichtung von Sammlungsbeständen, weiteren Quellen und Sekundärliteratur, viel lesen und Texte schreiben, Experten und Zeitzeugen interviewen, Workshops leiten, Konzepte darstellen und präsentieren. Die grafische Visualisierung der erarbeiteten Inhalte. Argumentieren und überzeugen. Mit der Selbstständigkeit kommt noch ein weiterer Teil hinzu, die Akquise und Buchhaltung.

 

Die Texte, die in der Ausstellung gezeigt werden, werden in der Regel selbst von Ihnen erstellt? Oder holen Sie sich Expert*innen aus dem jeweiligen Themengebiet?

Die Experten ziehe ich meist in der Konzeptionsphase hinzu. Das heißt, in der Phase der Grobkonzeption werden die Themenfelder abgesteckt. Experten sind hilfreich, wenn es sich um Bereiche handelt, die gerade wissenschaftlich neu durchleuchtet werden und sich somit neue Forschungsfelder eröffnen. Experten haben zudem eine gute Kenntnis der Quellenlage. Beim Verfassen der Ausstellungstexte übernimmt jemand aus dem Ausstellungsteam die Textredaktion. Als Konzipientin schreibe ich die Rohtexte, die von einem Lektor nochmals sprachlich überarbeitet werden. In dieser Phase zieht man die Experten in der Regel für die Verifizierung hinzu. Beim Gegenlesen werden Daten, Zahlen, Namen und Orte geprüft. Je nach Themenbereich werden somit die Fakten sowie technische Begriffe nochmals „gecheckt“. Das Schreiben an sich ist eigentlich der gleiche Vorgang wie im Journalismus. Es gibt einen Autor, dessen Text verifiziert wird. 

Interaktive Weltkarte im jüdischen Museum, Berlin. Bild: Timo Mäule.
Interaktive Weltkarte im jüdischen Museum, Berlin. Bild: Timo Mäule.

 

Könnten Sie etwas aus ihren aktuellen Projekten vorstellen?

Ja, ich arbeite an einem Projekt für eine Stiftung. Hier wird das ehemalige Wohn- und Arbeitshaus eines Komponisten des 20. Jahrhunderts um einen Museumsbau ergänzt. Das Projekt umfasst die Konzeption und Entwicklung eines neuen Museums, im Moment existiert nur ein kleiner Ausstellungsraum. Eine Museologin inventarisiert im Moment sämtliche Objekte aus dem künstlerischen und privaten Nachlass. Dabei geht es um die Musik und das Leben des Komponisten sowie Querverweise in weitere Bereiche, wie Kunst, Literatur, Tanz und Bühne. Ein anderes Projekt ist der Umbau und die Erweiterung „Heimathaus Sonthofen“. Das Museum erhält einen Erweiterungsbau, die Dauerausstellung wird neu konzipiert. Verschiedene Themenbereiche werden vermittelt, im Kern die Stadt- und Siedlungsgeschichte. Weiterhin geht es bei diesem Projekt nicht nur um die Neukonzeption der Dauerausstellung, sondern auch um die Neuaufstellung des gesamten Museums mit Vermittlungs-, Verwaltungs- und Depoträumen, der Museumspädagogik sowie Sonderausstellungs- und Veranstaltungsflächen. Ein drittes Projekt wurde kürzlich eröffnet. Es ist eine kulturhistorische Ausstellung zum Thema Zugspitze im Museum Werdenfels in Garmisch-Partenkirchen.

 

Gibt es im Bereich der Museumskonzeption bestimmte Trend-Bewegungen? Bauen Sie diese in Ihre Konzepte mit ein?

Das Museum ist wie die Gesellschaft sehr stark im Wandel und wird - wie die Gesellschaft - immer heterogener, sprich das Angebot wird vielfältiger. Es öffnet sich allen gesellschaftlichen Gruppen. Traditionell hatte das Museum bis in die Neunzigerjahre einen Bildungsauftrag. Das bedeutet, dass die Vermittlung in eine Richtung verlaufen ist, also frontal oder unidirektional. Heute setzt das Museum vermehrt auf Kommunikation und Dialog und versucht vor allem, die jüngere Generation einzubeziehen. Die Idee ist, über das Angebot von Integrations- bzw. Inklusionsprogrammen einen Ort für den Dialog der Generationen sowie für mehr kulturelle Diversität zu schaffen,. Außerdem soll das Museum nicht nur für das sogenannte Bildungsbürgertum „reserviert“ sein, sondern durch seine Vermittlung und Gestaltung alle Zielgruppen ansprechen. Das ist eine große Herausforderung. Eine weitere Aufgabe ist der Wandel der Gesellschaft zum Digitalen und die Frage, wie man digitale Inhalte mit analogen Exponaten verbindet. Das Museum ist per se das Format bzw. der Ort der Sachkultur. Es präsentiert die Exponate, Zeugnisse der Vergangenheit und Gegenwart; wie man diese mit der immateriellen Kultur, der kulturellen Praxis, verbindet, ist weiterhin eine spannende Frage. Wieviel Sachkultur und wieviel Digitales bringt man in ein Museum?

 

Haben Sie schon einmal mit Elementen der Digitalisierung im Museum gearbeitet oder in einem Projekt, in dem sie viel mit digitalen Inhalten gearbeitet haben?

Digitale Medien gehören heute zum Instrumentarium der Museen. Ein internationales Projekt mit enormen finanziellen Mitteln wurde zielgruppenorientiert für Jugendliche mit Tablets als Vermittlungsmedium geplant – das war 2010. Die Exponate werden über eine Erkennungssoftware mit der Kamera des Tablets erfasst. Die Besucher können somit ganz individuell die Informationsebenen auf ihrem Bildschirm auswählen. Zu sehen sind in der naturkundlichen sowie kulturhistorischen Ausstellung vor allem Objekte zu Flora und Fauna eines Landes auf der arabischen Halbinsel. Auf einem Medientisch werden dann die zusammengetragenen Informationen abschließend spielerisch in Form eines Rollenspiels vertieft. Aktuelle Themen, wie beispielsweise die Verschmutzung der Meere durch Plastik, können somit in kurzen interaktiven Aufgaben vermittelt werden.

 

Nochmals zurück zum Beruf der Ausstellungskuratorin: Warum haben Sie sich gerade für diese Tätigkeit interessiert? Warum sind Sie in die Selbstständigkeit gegangen?

Schwierige Frage. Man plant das nicht so richtig. Ich hatte immer zwei Schwerpunkte, Museum und Bühne. Ich habe mit der Kunstgeschichte begonnen, bin dann aber über die Musik und Oper wieder zum Museum gekommen. Ausschlaggebend war das breite Spektrum an Inhalten, das mich in Ausstellungen immer angesprochen hat. Auf der Bühne steht die Fiktion im Vordergrund. Das Museum ist oftmals näher an den aktuellen Diskussionen der Gesellschaft dran und verbindet sie mit dem geschichtlichen Horizont. Das Museum ist ähnlich wie der Journalismus ein Format, in dem aktuelle Themen mit Bezug auf die Vergangenheit diskutiert werden, hinzukommt der Raum als dritte Dimension. Das hat mich schon immer gereizt. Die Stoffe in der Oper oder im Schauspiel wiederholen sich. Im Museum ist die Bandbreite der Themen endlos. Es ist es sehr spannend, in jedem Projekt neue Themen und Fachbereiche kennenzulernen. Ich habe zehn Jahre in einem Architekturbüro festangestellt gearbeitet und konnte dort umfangreiche Erfahrungen sammeln und dann wollte ich es selbst in die Hand nehmen. Man hat sich eine eigene Methodik aufgebaut und möchte die Freiheit haben, diese in Projekten umzusetzen, die einen inhaltlich interessieren. In der Festanstellung liegen oftmals Aufgaben auf dem Tisch, die ausgeführt werden müssen, obwohl man sie vielleicht selbst aus den verschiedensten Gründen nicht angenommen hätte.

 

Gibt es etwas Negatives, was Sie davon abgehalten hat, schon früher in die Selbstständigkeit zu gehen? Wo liegen die Schwierigkeiten einer Selbständigkeit?

Es ist natürlich das unternehmerische Risiko, das man auf sich nimmt. Die Frage, ob man Aufträge bekommt. Man muss Kontakte und ein Netzwerk aufbauen und ob das funktioniert, ist nicht vorherzusehen. Man hat zusätzlich noch den ganzen Aufwand mit Buchhaltung, Organisation, etc., was man als Festangestellte nicht hat. Jedoch ist der Mehrwert, den man aus der freien Wahl der Aufträge bekommt, für mich so hoch, dass die zusätzlichen Aufgaben nicht ins Gewicht fallen.

 

In Bezug auf Ihre Studienzeit. Gab es da bestimmte Schwerpunkte, die Sie gewählt haben, die sich positiv auf Ihre Arbeit heute ausgewirkt haben oder Sie besonders gut vorbereitet haben? Gab es Dinge, die Sie rückblickend anders gemacht hätten?

Viele der heutigen Studiengänge gab es zu meiner Studienzeit noch nicht. Schaut man sich die unterschiedlichen Studiengänge aktuell an, hätte ich mich rückblickend vielleicht für einen anderen Ausbildungsweg entschieden. Wichtig ist vor allem das Transdisziplinäre, also schon im Studium nach links und rechts schauen. Bei einer Ausstellung braucht man später beispielsweise neben der fachlichen Kompetenz auch ein Wissen über Grafik, Raum und Gestaltung. Das wissenschaftliche Arbeiten und die Entwicklung einer eigenen Methodik ist mit am wichtigsten. Aber auch das Präsentieren und die Gruppenarbeit sind wichtige Erfahrungen. Diese kann man in Praktika üben und in Zusammenarbeit mit Kollegen aus anderen Fachbereichen. Ich habe viel mit Architekten und Gestaltern gearbeitet, da lernt man natürlich viel.

 

Haben Sie Tipps für Studierende, die in den Bereich der Museumskonzeption gehen wollen?

Ich würde auf jeden Fall zu Praktika raten, damit man sieht, ob es einem liegt oder nicht. Wenn man weiß, man möchte nicht in der Forschung gehen oder an der Uni lehren, sollte man in viele Bereiche „hineinschnuppern“ und die Optionen testen.

 

Ein Beitrag von Clara Müller 

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