Digitale Alternative? Virtuelle Ausstellungsbesuche in baden-württembergischen Museen

 

Als Anfang des Jahres das neuartige Corona-Virus nach Deutschland kam wurden bald darauf weite Teile des öffentlichen Lebens eingeschränkt. Von den Maßnahmen waren auch Museen betroffen: Sie konnten plötzlich keine Besucher*innen mehr empfangen. Als Alternative wurden schnell einige digitale Angebote entwickelt. In diesem Beitrag soll es um drei dieser Angebote von baden-württembergischen Museen gehen. Lassen sich Ausstellungen in ein digitales Format übersetzen? Und können sie einen Museumsbesuch ersetzen?

 

Screenshot Virtueller Rundgang durch die Ausstellung "Hut ab!" im Haus der Geschichte Baden-Württemberg, https://www.hdgbw.de/fileadmin/templates/img/panoramen/hut-ab/index.html?html5=prefer (erstellt am 14.07.2020).
Screenshot Virtueller Rundgang durch die Ausstellung "Hut ab!" im Haus der Geschichte Baden-Württemberg, https://www.hdgbw.de/fileadmin/templates/img/panoramen/hut-ab/index.html?html5=prefer (erstellt am 14.07.2020).

Eine „digitale Ausstellung“ lässt sich auf der Website vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg finden. Ausgewählte Ausstellungen kann man hier in einem virtuellen Rundgang besuchen. Die Funktionen sind ähnlich denen des „Street View“-Modus von Google Maps und damit sehr intuitiv zu bedienen. Mit der Maus lässt sich die Umgebung in 360° erkunden und an Exponate heranzoomen, ein Klicken auf Fußabdrücke lässt einen weiter voranschreiten. Zudem überzeugt die Bildqualität, und ein großes Plus ist, dass sich Videoausschnitte, die an Media-Stationen gezeigt werden, in einem eigenen Player abspielen lassen. Das hat zum Museumsbesuch in der analogen Welt den Vorteil, dass der Ton besser ist, man sich nicht durch andere Besucher*innen gestört fühlt, und man die Videos von Anfang gucken kann – anders als an vielen Medienstationen, an denen Videos in Dauerschleife laufen und man so nur mit Glück „von vorne“ starten kann. Schön wäre es aber noch gewesen, wenn man die Videos pausieren oder bei Bedarf auch vor- und zurückspulen könnte. Leider hat der Videoplayer keine Steuerungselemente.

Screenshot Landingpage Online-Angebot Kunstmuseum Stuttgart , https://www.kunstmuseumdigital.de/ (erstellt am 14.07.2020).
Screenshot Landingpage Online-Angebot Kunstmuseum Stuttgart , https://www.kunstmuseumdigital.de/ (erstellt am 14.07.2020).

Auch das Kunstmuseum Stuttgart bietet auf https://www.kunstmuseumdigital.de/ digitale Angebote an. Neben einem „Rundgang“ (sprich: man scrollt eine Seite herunter) mit 15 ausgewählten und ausführlich beschriebenen Exponaten verschiedener Stilrichtungen gibt es auch unter dem Reiter #becreative Aufgaben und Übungen, um sich zu Hause kreativ ausleben zu können. Die Angebote richten sich dabei an Kinder ab fünf bis zehn Jahren und motivieren dazu, Geschichten zu schreiben, zu musizieren oder zu malen. Die Aufgaben sind dabei inspiriert von bzw. bezogen auf Exponate des Museums. Zudem bietet das Kunstmuseum ein „Museums-quiz“ in verschiedenen Schwierigkeitsstufen an. Hier werden Fragen zu Künstler*innen, Kunstgeschichte und dem Kunstmuseum gestellt. Ohne Vorkenntnisse ist selbst die Beantwortung der einfachen Fragen schwer, das Quiz ist aber dennoch recht kurzweilig.

 

„Sie betreten nun eine Kritische Zone!“ wird man auf der Website critical zones des Zentrum für Kunst und Medien (kurz ZKM) Karlsruhe begrüßt. Es handelt sich um eine digitale Ausstellung in Verbindung mit einer physischen Ausstellung des Museums, die am 24. Juli 2020 eröffnet. Die „Kritische Zone“ bezeichnet unseren Lebensraum vom Grundwasser bis zu den Baumspitzen. Sie ist entscheidend für unser (Über-)Leben und muss dementsprechend geschützt werden.

Es fällt sofort auf, dass hier eine Ausstellung für das Digitale konzipiert, und nicht eine physische Ausstellung nachträglich digitalisiert wurde. Dabei überzeugt sie leider nicht ganz. Zum Teil ist das Layout recht verwirrend. Man kann verschiedene, vage benannte „Pfade“ wählen, um zu Seiten der Ausstellung zu kommen. Dabei hat man stets nur die Möglichkeit, sich zwischen drei verschiedenen Wegen zu entscheiden, auch wenn es eigentlich deutlich mehr gibt. Neben dem Hinweis, die Ausstellung entwickle sich ständig weiter und die verschiedenen Teile seien miteinander verbunden, gibt es auch die Möglichkeit, drei neue „Pfade“ zu generieren. Dennoch wäre es hilfreich, auf einen Blick eine Übersicht zu haben, was die Ausstellung anbietet. Beim ersten Besuch der Website stand deswegen statt Interesse an der Ausstellung vor allem Verwirrung im Vordergrund. Nicht hilfreich ist auch, dass die hell-türkise Schrift vor dem grauen Hintergrund teilweise nur schwer lesbar ist. Hier wäre eine andere Farbwahl wünschenswert gewesen. Wenn man sich dann aber einmal zurechtgefunden hat, bietet Critical Zones viel Gutes. Ein Highlight ist das Perimeter Pfynwald, welches eine akustische Panorama des Schweizer Pfynwalds bietet. Der Pfynwald ist vom Klimawandel stark betroffen. Über Regler lassen sich die Jahreszeiten einstellen und man kann hören, wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit den Klang des Waldes beeinflusst.

 

Screenshot des "Perimeter Pfynwald", Teil der digitalen Ausstellung "Critical Zones" des Zentrums für Kunst und Medien, https://critical-zones.zkm.de/#!/detail:perimeter-pfynwald-a-soundscape-observatory (erstellt am 14.07.2020).
Screenshot des "Perimeter Pfynwald", Teil der digitalen Ausstellung "Critical Zones" des Zentrums für Kunst und Medien, https://critical-zones.zkm.de/#!/detail:perimeter-pfynwald-a-soundscape-observatory (erstellt am 14.07.2020).
Screenshot Landingpage der digitalen Ausstellung "Critical Zones" des Zentrums für Kunst und Medien, https://zkm.de/de/ausstellung/2020/05/critical-zones (erstellt am 14.07.2020).
Screenshot Landingpage der digitalen Ausstellung "Critical Zones" des Zentrums für Kunst und Medien, https://zkm.de/de/ausstellung/2020/05/critical-zones (erstellt am 14.07.2020).

Betrachtet man diese drei unterschiedlichen Ansätze, wird deutlich, dass digitale Angebote von Museen Chancen bieten, aber keine vollwertige Alternative zum Museumsbesuch darstellen können. Am dichtesten an das altbekannte Museumserlebnis heran kamen die digitalen Rundgänge des Haus der Geschichte Baden-Württemberg. Durch die qualitativ hochwertigen Bilder und die einfache Steuerung macht es Spaß, auf diesem Wege eine Ausstellung zu erkunden. Das digitale Angebot des Kunstmuseums Stuttgart ist vielseitig und ansprechend gestaltet, scheint aber besser ergänzend zum oder als Vorgeschmack für den eigentlichen Museumsbesuch geeignet zu sein. Man erhält nur einen kleinen Einblick in die Sammlung und auch zum Beispiel das Museumsquiz setzt bei einigen Fragen einen realen Museumsbesuch bereits voraus. Critical Zones zeigt, welche Chancen sich durch den digitalen Gestaltungs-raum bieten, zum Beispiel durch eine kreative Nutzung interaktiver Karten, Videos, und einem Audiopanorama, dass so in der Art nur schwer analog dazustellen gewesen wäre. Schade ist, dass diese guten Ideen nicht durch ein adäquates Design der Website unterstützt werden.

 

Hier kommt dann ein weiterer Aspekt ins Spiel, den sich wohl alle Ersteller*innen digitaler Museumserlebnisse ins Gedächtnis rufen müssen: Wer befindet sich in der Zielgruppe? Für Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, wird die Steuerung im Haus der Geschichte selbsterklärend sein. Doch wie finden sich Personen zurecht, die mit dem Format nicht vertraut sind? Es gibt keine Erklärung, keine Anleitung zum Zurechtfinden im digitalen Ausstellungsraum. Auch die Orientierung auf Critical Zones könnte problematisch werden.Gerade Museen könnten die Chance ergreifen und in Zeiten wie diesen die Brücken schlagen, um ältere Museumsgänger*innen an digitale Inhalte heranzuführen. Damit dies gelingen kann, benötigtes aber noch zugänglichere, niederschwellige Angebote.

 

Ein Beitrag von Alina-Fabienne Suchan

 

 

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