Von Dinos, Schnecken und Fischsauriern

Bild von Fiona Gottschling und Elisabeth Hellweg.
Bild von Fiona Gottschling und Elisabeth Hellweg.

Der Evolution auf der Spur in der Paläontologischen Sammlung der Universität Tübingen

 

Ein Ammonit - ein versteinerter Kopffüßer - steht vor dem Gebäude des Fachbereichs Geowissenschaften. Er deutet an, dass es hier um Fossilien gehen dürfte. Dabei wissen die wenigsten, dass das Haus eine beeindruckende Sammlung von versteinerten Schnecken über Fischsaurier bis hin zu riesigen Knochen von Dinosauriern beherbergt.

 

Auf zur Zeitreise, mitten in Tübingen

Die Paläontologische Sammlung ist eine von 70 Fachsammlungen der Universität Tübingen und wird vom Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment kuratiert. Die seit dem frühen 19. Jahrhundert aufgebaute Zusammenstellung ist eine der größten und ältesten Universitätssammlungen der Welt. Schon das Gebäude wirkt altehrwürdig. Die Zusammenstellung zeigt nicht nur Funde aus China, Südafrika, Brasilien oder den USA, sondern bildet gerade auch das Gebiet rund um die Schwäbische Alb ab. Als Beispiel ist hier der Abdruck des Schwäbischen Lindwurms, eines pflanzenfressenden Plateosaurus, zu nennen, der in Trossingen gefunden wurde. Der Henodus chelyops, einem den Schildkröten ähnelnden Pflasterzahnsaurier, ist eine echte Rarität. In Tübingen-Lustnau wurde eines von bislang nur acht bekannten Exemplaren gefunden. Ein besonderes Highlight unter den Funden aus Württemberg ist ein Stück eines ehemaligen Küchenbodens, in dem man deutlich Fußabdrücke eines urzeitlichen Bewohners Lustnaus erkennt. Die dazugehörige Tafel zieht die Echtheit der Abdrücke aber stark in Zweifel. Warum? Das kann der Besucher selbst herausfinden.

 

Aktuelle Sammlung in altem Gebäude

Das Gebäude von 1903 dient der sach- und fachgerechten Lagerung und Präsentation von Exponaten. Zur Zeit der Institutsgründung gehörte Tübingen noch zum Königreich Württemberg. Deshalb fokussierten sich die Ausgrabungen und Funde zunächst vor allem auf diesen geographischen Raum. Betritt man das Gebäude, werden die Besucher*innen von Ichthyosaurier, die stark an Delfine erinnern, und einer versteinerten Pflanze begrüßt. Die eigentliche Sammlung befindet sich im ersten Stock des dreiflügeligen Gebäudes. Welchen der fünf Säle man zuerst anschaut, steht jedem/jeder frei. Es gibt keinen vorgegebenen Rundgang. Gegenüber dem Treppenhaus befindet sich der Plateosaurus-Saal, der sich mit Landsauriern beschäftigt; rechts daneben werden in zwei verbunden Sälen Meeressaurier ausgestellt. Nachdem man die Büros des Instituts passiert hat, findet man im Therapsiden-Saal säugetierähnliche Reptilien. Im linken Flügel werden im Stratigraphischen Saal mit bis zu 500 Millionen Jahre alten Exemplaren die wichtigsten Schritte der Evolution in Vitrinen vorgestellt. Im Württemberg-Saal kann man unter anderem Höhlenbären und Mammutschädel betrachten. Der Raum gibt den Besucher*innen einen Einblick in die Geschichte des damaligen Ökosystems. Somit sind die einzelnen Räume teils chronologisch, teils nach Tiergruppen geordnet.

Bild von Fiona Gottschling und Elisabeth Hellweg.
Bild von Fiona Gottschling und Elisabeth Hellweg.

Ein Ort des Lernens

Besichtigt man die Ausstellung, wird schnell deutlich, dass die Sammlung vor allem Wert auf die Darstellung detaillierter Inhalte und weniger auf spielerische Vermittlung legt. Grund dafür ist, dass sie als Forschungssammlung konzipiert ist und den einfachen Zugang für internationales wissenschaftliches Arbeiten gewährleisten soll. Laut Ingmar Werneburg, Kurator der Sammlung, sind ca.

95 % der Exponate Originale, die wenigsten sind also Nachbildungen. Neben den Objekten liefern Informationstafeln Hintergründe und Details. Ausnahmen überraschen: So wird zum Beispiel ein kleines Gedicht von Johannes Scheffel, das sich mit Evolution beschäftigt, ausgestellt. Auf multimediale Interventionen, Sound- und Lichteffekte oder anderes szenographisches Feuerwerk verzichtet man hier. Dafür gibt es einige Elemente und Stationen, die die Ausstellung auflockern und die Besuchenden aktivieren. So findet sich ein nachgebildetes Büro des ersten Inhabers des Lehrstuhls für Mineralogie, Friedrich August von Quenstedt. Hier wird der/die Besucher*in zum/zur Forscher*in und kann einige Präparate mikroskopieren. Aufgrund der Ausrichtung der Sammlung gibt es kein Licht- oder Klangkonzept; das Gebäude und die Ausstellungsräume sind trotz ihres Alters barrierefrei zu erreichen.

 

Der Evolution auf der Spur

Mit dem Thema „Evolution“ zeigt die Sammlung nicht nur Versteinerungen und Überreste von Tieren und Pflanzen, sondern skizziert mit ihren Objekten die Evolution der Erde und deckt einen Zeitraum von ca. 500 Millionen Jahren ab.

Es handelt sich um eine Dauerausstellung, die von Zeit zu Zeit umgearbeitet wird. Die Kerninhalte bleiben allerdings bestehen. Nichtsdestoweniger bemüht sich der Kurator, die Exponate angemessen zu präsentieren. Die Objekte befinden sich meist hinter Glas, hängen aber auch frei im Raum. Sind nur Teile eines Tieres zu sehen, wird auf bildlichen Darstellungen gezeigt, wo dieser Teil im Tier zu verorten ist. Sieht man ganze Skelette, ist auf Bildern dargestellt, wie das Tier vermutlich ausgesehen hat. Auch finden sich meist Karten, die die Funde geographisch einordnen. Wegen des internationalen Lehrfokus sind alle Tafeln in Deutsch und Englisch verfasst. Den hohen Anspruch erkennt man auch an den Informationstafeln, die für Laien durch viele Fachbegriffe und Bezeichnungen der einzelnen Gattung leider schwierig zu verstehen sind.

'Schwäbisches Medusenhaupt', Bild von Fiona Gottschling und Elisabeth Hellweg.
'Schwäbisches Medusenhaupt', Bild von Fiona Gottschling und Elisabeth Hellweg.

Vier Meter sechzig hoch hinaus

Seit 2011 schreitet die Vereinheitlichung der Infotafeln stetig voran. Die Schrift auf den Infotafeln ist gut zu lesen und die Sprache verständlich, wobei die Inhalte sehr komplex sind und aufgrund der Ausrichtung auch Vorwissen erfordern. Obwohl die Gestaltung auf den ersten Blick schlicht wirkt, werden die Saurier szenisch beeindruckend dargestellt. So stehen Landsaurier in Bewegungspose auf sandfarbenem, steinigem Boden. Meerestiere hängen an der Decke, sodass es aussieht, als schwömmen sie. Bei einzelnen Exponaten wurde Draht so geformt, dass eine Schwanzflosse angedeutet wird, um so ein besseres Bild der Tiere zu gewinnen. Die Silhouette eines in den USA gefundenen Flugsauriers, dessen Schädel und Flügel an einer Wand angebracht sind, wurde mit grauer Farbe an der Wand angebracht. So kann man sich vorstellen, wie er vor über 80 Millionen Jahren ausgesehen haben könnte. Bei einzelnen Objekten nehmen Schieferplatten, in denen die Überreste gefunden wurden, die gesamte Wand ein. Das Fossil des Schwäbischen Medusenhaupts beispielsweise, eine Seelilienart aus dem Unterjura, nimmt mehrere Meter ein, der Ausstellungsraum wurde dafür um das Objekt herum konstruiert und misst ganz 4,60 Meter in der Höhe. Die kleineren Funde sind in Vitrinen sortiert, die aber nur einen Bruchteil des eigentlichen Bestands zeigen. Die Ausstellungsschränke haben mehrere Schubladen, in denen weit mehr Objekte gelagert sind als in den gläsernen Schaukästen. Die Schränke sind des Weiteren nummeriert und abgeschlossen. In ihnen befinden sich kleinere Objekte für das wissenschaftliche Studieren. Es gibt auch ein geschlossenes Archiv, das bei Führungen aber gelegentlich geöffnet wird.

 

Für wen lohnt sich der Besuch?

Ein Besuch in der Paläontologischen Sammlung lohnt sich besonders für alle, die Interesse an den frühen Relikten der Erdgeschichte haben. Besonders Studierenden, Forschenden und interessierte Hobby-Paläontologen dürfen hier hautnah ihr Wissen zu Praktiken und beispielhaften Funden vertiefen.

Obwohl die Ausstellungstexte sehr komplex sind, kommen auch Laien auf ihre Kosten. Auch für Schulklassen lohnt sich ein Besuch, vor allem um die Dimensionen der geologischen Entwicklung greifbar zu vermitteln und um diese durch die ausgestellten Relikte mit unserer heutigen Zeit zu verknüpfen.

 

Ein Beitrag von Fiona Gottschling und Elisabeth Hellweg


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Daten im Überblick

Museum: Museen der Universität Tübingen – Paläontologische Sammlung

 

Kontakt: Sigwartstraße 10  (Eckgebäude Sigwartstraße 10 und Hölderlinstraße 12), 72074 Tübingen

 

 

Öffnungszeiten: Mo. - Fr.: 9-17 Uhr, (außer an Feiertagen)

 

Eintrittspreise: kostenlos

 

Führungen: Gruppen- und Schulführungen n. Absprache: palmus@ifg.uni-tuebingen.de, Tel.: 07071/2977384

 

 

 

 

Anfahrt: Mit dem ÖPNV ab dem Hauptbahnhof, Buslinien 1–4, 6, 7, 17, 21, 23 bis Haltestelle „Uni/ Neue Aula“, von dort ca. 5 Minuten Fußweg Richtung Hölderlinstraße, über Gmelin- und Nauklerstraße

 

Mit dem PKW: Parkplatz Kupferbau (Gmelinstraße 5a, 72076 Tübingen), 6€/2 Stunden

 

Link zur externen Homepage: https://www.unimuseum.uni-tuebingen.de/de/sammlungen/palaeontologische-sammlung.html

 



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