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Der Porschefahrer. Ein museales Relikt?


Der Porscheplatz mit Skulptur. Bild: RudolfSimon, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.*
Der Porscheplatz mit Skulptur. Bild: RudolfSimon, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.*

Wer in Stuttgart Zuffenhausen am Porschemuseum vorbeifährt, biegt unweigerlich in einen Kreisverkehr ein, in dessen Mitte ein Kunstwerk in die Höhe ragt. Drei Generationen des Flaggschiff-Fahrzeugs Porsche 911 ragen auf Säulen meterweit in die Höhe. Die historiografische Darstellung der Weiterentwicklung des Fahrzeugs durch dieses Kunstwerk unterstreicht das Narrativ der porscheeigenen Ingenieurskunst. Die etwa 24 Meter hohe Skulptur des britischen Künstlers Gerry Judah steht hier seit 2015 im Zentrum des Kreisverkehrs auf dem Porscheplatz.[1]

 

Was sich außen andeutet, findet auch innen Platz. Das Museum erzählt die Erfolgsgeschichte des Automobilherstellers in der Luxusklasse. Von Ferdinand Porsche bis in die Gegenwart. Ähnlich, wie auch das Mercedes Benz Museum – ebenfalls in Stuttgart gelegen – wird hier der Erfolg der schwäbischen Autobauer manifestiert. Beim Umsatz und Image der beiden Unternehmen ist es nicht verwunderlich, dass gerade diese beiden Museen zu den populär Beliebtesten in ganz Deutschland zählen.[2] Die Museen zeigen eine Geschichte des Erfolgs: Der stolze Mitarbeiter mit Firmenwagen, das schnelle Auto in sportlichem Design, der Porschefahrer mit Schiebermütze und Poloshirt. Firmengeschichte wird hier zu Public History, die in das kollektive Selbstbewusstsein der Kunden und Fans einfließt. Ein Prozess, der lange funktioniert hat.

 

 

Doch dieses Image steht vor einem Problem: Der Kunde, der Porschefahrer aus dem Museum, existiert er noch? In Deutschland scheint er verschüttet worden zu sein. Unter Klimakrise, steigenden Energiekosten, weltweiter Ressourcenknappheit und konjunktureller Stagnation. Die Zukunft ist ungewiss. Innovationen des ‚schneller, weiter, höher‘ werden abgelöst durch den gesellschaftlichen Wunsch nach Rückbesinnung auf ‚das wirklich Wichtige‘ – die Erde. Einziger Weg dorthin, glaubt man dem Mainstream, scheint die Abkehr von der individuellen Mobilität. Plötzlich ist es egal, wie schnell ein Auto beschleunigt, wie komfortabel es über die Straße gleitet, welchen Sound es macht und ob das Design ‚schön‘ und ‚sportlich‘ ist. Plötzlich wird die Erfolgsgeschichte des Automobils zur Schreckensgeschichte des 21. Jahrhunderts. Nun geht es um Effizienz, Sparsamkeit und Zurückhaltung.

 

Doch so kann ein Sportwagenhersteller nicht überleben. Schon der Begriff Sport – eine auf Höchstleistung ausgelegte Disziplin – widerspricht dem nun mal. Der VW-Konzern (als Mutterkonzern von Porsche) erwirtschaftet – trotz dieser Gefahr – Gewinne in Milliardenhöhe. Dies gelingt ihm nicht zuletzt vor allem auch im Ausland, in dem die Argumente für mehr Kilmaschutz weniger gegen die unternehmerischen Ziele zu stehen scheinen. Auch im Inland steigt der Anteil der besser Situierten und verbreitert dadurch den Kundenstamm für teure Autos. Während also die eine Familie wegen dem Klima zur veganen Ernährung wechselt, kauft ein anderer Veganer einen neuen 911er. Für beide ein Luxusproblem. Dennoch grundsätzlich nicht verwerflich, zeigt es aber, wie sehr Lebenswelten auseinanderliegen. Die sozialen Bubbles überschneiden sich kaum.

 

Porsche jedoch, scheint das erkannt zu haben. Das Unternehmen beginnt sich ein grüneres Image aufzubauen. Begonnen mit Möglichkeiten E-Bikes zu mieten und den Firmenwagen stehen zu lassen. Mit Engagement in Projekte, wie die Rettung von Bienen und den Schutz der Regenwälder. Mit dem ersten E-Sportwagen der deutschen Automobilsparte.

 

Alles nur green washing? Nein. Das wäre zu teuer und zu kurzsichtig gedacht. Denn der Klimawandel macht vor deutschen Autoherstellern keinen Halt. Sie haben erkannt, dass sie weg müssen vom klassischen Verbrenner, weg vom Individualverkehr. Sie müssen smarter werden, neue Sparten ansprechen und Neues erfinden. Sie müssen dahin zurück, wo Ferdinand Porsche angefangen hat. Sie müssen weitermachen mit dem, was die drei Porsche auf dem Platz zeigen: Mit Innovation in die nächste Generation.

 

Doch das ist alles bekannt – es fehlt jedoch an einer Schlüsselstelle der Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens: Es fehlt noch komplett im Porsche Museum. Das transportierte Image des treuen Verbrenners der oberen Mittelklasse muss ersetzt werden: durch ein Narrativ, das mithilfe der allseits bekannten Images der Vergangenheit in die Zukunft weißt.

 

Ein Beitrag von Timo Mäule

Überarbeitete Fassung vom 04.07.2022 


Fußnoten: 

[1] Zuffenhausen: Porsche plant Kunstwerk am Kreisverkehr (= StN, 2014). URL: https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.stuttgart-zuffenhausen-porsche-plant-kunstwerk-am-kreisverkehr.7345e0f8-729f-4bdc-920b-a3b3a284118f.html (letzter Zugriff 02.11.2021). 

 

[2] Museumsranking: Das beliebteste Museum steht in Stuttgart (=StN 2020). URL: https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.museumsranking-das-beliebteste-museum-steht-in-stuttgart.383ab62e-b713-4aae-8bd5-ad1ec88f366e.htmlde (letzter Zugriff 02.11.2021).

 

Bilder (letzter Zugriff 02.11.2021):

*RudolfSimon, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

Page-URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Porscheplatz_Skulptur_Stuttgart.jpg

File-URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/80/Porscheplatz_Skulptur_Stuttgart.jpg.


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