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Besuch einer virtuellen Ausstellung: Die Fälscherwerkstatt im KZ


Erzählungen von Zeitzeugen hören, den Aufbau und die Verhältnisse in einem Konzentrationslager (KZ) nachvollziehen, die Geschichte von Sachsenhausen aus verschiedenen Blickwinkeln aus kennenlernen – und das alles vom Schreibtisch aus? Dieses Erlebnis ist aufgrund der Entwicklungen während der Corona-Pandemie seit kurzer Zeit möglich. Viele Museen oder Gedenkstätten bieten nun virtuelle Rundgänge oder Ausstellungen an und versuchen so, ihre Vermittlungsarbeit im virtuellen Raum fortzuführen.


Ein überzeugendes Beispiel bietet die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Diese hat eine Online-Ausstellung über die im Herbst 1942 entstandene Druckerei innerhalb des KZ Sachsenhausen gestartet. Hier mussten von circa 140 jüdischen Menschen im Auftrag der SS gefälschte Banknoten und andere Dokumente produziert werden.

 

Begrüßt wird man in der Ausstellung mit einer kurzen und prägnanten Einführung über den Inhalt und die Relevanz des Themas. Es ist dem*der Besucher*in dann selbst überlassen, in welcher Reihenfolge er*sie die Ausstellung weiter durchläuft. Es gibt hierzu eine Taskleiste mit verschiedenen Überschriften. 

 

Taskleiste am oberen Rand der Webseite. Bild: http://stiftung-sbg.de/faelscher/.
Taskleiste am oberen Rand der Webseite. Bild: http://stiftung-sbg.de/faelscher/.

 

Der erste virtuelle Raum trägt den Titel „Die Fälscherwerkstatt”. Hier kann man drei ehemalige Gefangene, welche Teil der Fälscherwerkstatt waren, anhand kurzer Texten und Videos kennenlernen. In diesen stellen sich Isaak Plappla, Paul Landau und Adolf Burger selbst kurz vor und erzählen, wie sie in das KZ Sachsenhausen gelangten. 

 

Unter dem zweiten Reiter kann man den Aufbau des „Unternehmen Bernhard”, wie das Fälscher-Projekt genannt wurde, erkunden. Wer arbeitete dort? Wer stand dem Projekt vor? Wie war der Ort der Druckerei aufgebaut? Alle Informationen werden mit Infomaterial, Bildern und kurzen Videos von Aussagen der Zeitzeugen aufbereitet. Kleine Symbole verweisen auf die verschiedenen medialen Angebote.

 

Interview mit einem Zeitzeugen. Bild: http://stiftung-sbg.de/faelscher/.
Interview mit einem Zeitzeugen. Bild: http://stiftung-sbg.de/faelscher/.

Im nächsten Abschnitt „Produktion“ erfährt man, was von den Insassen in der Druckerei hergestellt wurde. Dazu gehörten Briefmarken, Banknoten, Pässe und andere Dokumente. Weiterhin wird der Alltag der Produzierenden geschildert, welche aufgrund ihrer besonderen Aufgabe besser behandelt wurden als die restlichen Insassen des KZ, aber auch von ihnen isoliert lebten. Sie erhielten mehr Nahrung, ärztliche Verpflegung, Unterhaltung und die Wärter behandelten sie milder. Man lernt aber auch über das Schicksal derjenigen, die dennoch von der SS ermordet wurden.

 

 

Die Befreiung wird unter dem Reiter „Nach 1945“ geschildert. Die Arbeiter wurden vorerst in das KZ Ebensee gebracht, wo sie amerikanische Truppen im Mai 1945 befreiten. Zum Abschluss bietet die Ausstellung Informationen über die Nachgeschichte der Fälscherwerkstatt. Man erfährt, wie die Zeitzeugen, die in der Ausstellung vorgestellt wurden, ihr Leben fortführten, wie die Gedenkstätte eröffnet, das Unternehmen juristisch aufgearbeitet und medial rezipiert wurde. Die Geschichte um das Fälscherkommando wurde im Jahr 2008 in dem Oscar-prämierten Film „Die Fälscher” aufgegriffen.

 

Die Ausstellung ist an alle Interessierte*n gerichtet, sie beschreibt sehr detailliert und lebendig die Geschichte eines Unternehmens innerhalb eines KZ. Die Umsetzung der Ausstellung ist hervorragend gelungen. Durch die chronologische Anordnung in der Taskleiste kann man die Geschichte der Fälscherwerkstatt von Beginn an nachvollziehen und die Zeitzeugen von ihrer Arbeit in der Druckerei, über ihre Befreiung bis in ihr neues Leben hinein begleiten. Das Museumserlebnis wird durch die informative Einleitung und den abrundenden Schluss gewährleistet. Die Aufarbeitung anhand von Informationen, Zeitzeugenaussagen, Bildern und Spielfilmausschnitten macht die Ausstellung zu einem vielschichtigen multimedialen Erlebnis. Die Navigation durch die Tabs ist benutzerfreundlich gestaltet, sodass hierdurch keine Ablenkung vom Inhalt entsteht. 

 

Leiste mit aufbereiteten Informationen. Bild: http://stiftung-sbg.de/faelscher/.
Leiste mit aufbereiteten Informationen. Bild: http://stiftung-sbg.de/faelscher/.

 

Aufgrund der Thematik bietet sich die Ausstellung für die Klassenstufen 9 und 10 an. In diesen Klassenstufen wird zum ersten Mal der Nationalsozialismus thematisiert. In diesem Zusammenhang erfahren die Schüler*innen erstmals, was ein KZ war und was es bedeutete, dort inhaftiert gewesen zu sein. Die Ausstellung kann als Exkursion am Ende der Einheit zu KZs gewinnbringend thematisch eingebunden werden. Eine mögliche Aufgabe zur Auseinandersetzung mit der Ausstellung könnte es sein, die Schüler*innen die Kerninhalte des Unternehmens herausarbeiten zu lassen. Die Aufmachung mit den fünf verschiedenen Abschnitten bietet an, die Ausstellung in Projektgruppen zu bearbeiten, die sich jeweils einem Unterthema widmen. Die Schüler*innen können so ihr bereits erworbenes Wissen über KZs an einem konkreten Beispiel vertiefen. Die Zeitzeugen-Clips, die immer wieder in die verschiedenen Themen eingebettet sind, ermöglichen den Schüler*innen eine anschauliche Beschreibung über die Arbeit in der Fälscherwerkstatt. An dieser Stelle ist anzumerken, dass einer der Zeitzeugen englisch spricht und es (derzeit noch) keine Untertitel auf Deutsch gibt. Diese kurzen Clips müssen von den Schüler*innen ggf. mehrmals angehört werden, um die relevanten Informationen herausfiltern zu können. Da der Zeitzeuge Paul Landau jedoch relativ verständlich spricht, dürfte diese Hürde nicht allzu schwer zu meistern sein.

 

Die Ausstellung ist einfach und intuitiv aufgebaut und bietet einen umfangreichen und interessanten Blick auf die Fälscherwerkstatt im KZ Sachsenhausen. Lediglich die Tatsache, dass für die Nutzung der „Adobe Flash Player” notwendig ist, könnte sich etwa auf den Heimgeräten der Schüler*innen als Problem erweisen. Deshalb ist die Ausstellung mit „nur“ vier von fünf Sternen zu bewerten.

 

Ein Beitrag von Daria Witt und Jessy Distel

 


Daten im Überblick (externe Links, letzter Zugriff am 01.11.2020)

 

Link zur Ausstellung: http://stiftung-sbg.de/faelscher/

 

Weiterführende Literatur

Burger, Adolf: Des Teufels Werkstatt. Die Geldfälscherwerkstatt im KZ Sachsenhausen, Berlin 1985.

Burger, Adolf: Des Teufels Werkstatt. Die größte Geldfälscheraktion der Weltgeschichte, Berlin 1997.

Edel, Peter: Wenn es ans Leben geht. Autobiografie, Berlin 1979. 

 


Herzlichen Dank an die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten für das Bereitstellen der Screenshots ihrer Webseite.


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