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Kunst trifft Public History: Wie Geschichtsstudierende die Kulturarbeit bereichern

Ein Interview mit Jennifer Francke


Jennifer Francke ist Masterstudentin der Geschichtswissenschaft an der Universität Tübingen. Die Suche nach einem Praktikumsplatz für das Studium brachte sie zur Stadt Fellbach, wo sie schließlich bei der Ausstellungsorganisation der 15. Triennale Kleinplastik Fellbach assistierte. Im Interview berichtet sie von neu gewonnenen Erfahrungen und gibt Einblicke in die Vorarbeit, den Ablauf und die Inhalte ihres Praktikums.


Bild: Peter D. Hartung.
Bild: Peter D. Hartung.

Erstmal vorweg: Du studierst Geschichtswissenschaft an der Uni Tübingen. Warum hast Du Dich für dieses Studium entschieden und wie bist Du auf die Idee gekommen, ein Praktikum zu machen?

Ich habe mich für ein Geschichtsstudium entschieden, da ich nur etwas studieren wollte, das das Potenzial hat, mich langfristig zu begeistern. Und das ist auch so gekommen – aktuell bin ich im 3. Mastersemester meines Geschichtsstudiums mit der Profillinie Public History. Das Praktikum habe ich aus zwei Gründen gemacht: Einerseits ist für diese Profillinie ein Berufspraktikum schlichtweg vorgesehen, andererseits finde ich aber auch, dass alle Geschichtsstudierenden von Praxiserfahrung profitieren können.

 

Du hast Dein Praktikum bei der Stadt Fellbach gemacht. Wie bist Du auf die Idee gekommen, dort zu arbeiten?

Durch einen Hinweis meiner Mitbewohnerin bin ich zufällig auf die Online-Ausschreibung der Stadt Fellbach gestoßen. Das Kulturamt der Stadt suchte nach Mitarbeiter*innen für die Organisation und den Aufbau einer Kunstausstellung – der 15. Triennale Kleinplastik Fellbach. Nachdem ich mich beworben hatte und bei einem Vorstellungsgespräch war, habe ich nach ein paar Tagen eine Zusage erhalten. Das war natürlich perfekt!

 

Wofür genau ist das Kulturamt Fellbach zuständig?

Das Kulturamt, unter der Leitung von Maja Heidenreich, organisiert vielseitige Veranstaltungen in und um Fellbach. Von Theaterstücken, Konzerten, Filmscreenings und Lesungen bis hin zu großen Kunstausstellungen wie der Triennale. Zu den weiteren Einrichtungen des Kulturamts zählen außerdem das Stadtmuseum, die Städtische Galerie, das Stadtarchiv, die Kunstschule, sowie die Stadtbücherei.

 

Und was hat man sich unter der Triennale vorzustellen?

Die Triennale findet – wie der Name sagt – alle drei Jahre statt und widmete sich dieses Jahr der Lebendigkeit der Dinge. Unter dem Titel „Die Vibration der Dinge“ warf die Kuratorin Elke aus dem Moore fundamentale Fragen unserer Gegenwart auf. Es ging vor allem um Resonanz und die sozialen und gesellschaftlichen Kontexte, in den 'Dinge' eingebunden werden. Konkret wurden Kunstwerke von über 50 Künstler*innen aus aller Welt in Fellbach ausgestellt. Die Triennale war in diesem Jahr vom 4. Juni bis zum 3. Oktober geöffnet.

 

Welche Aufgaben hast Du während Deines Praktikums in der Organisation der Triennale übernommen?

Von Beginn an habe ich Herrn Dr. Heribert Sautter, den stellvertretenden Leiter des Kulturamts, über Monate hinweg unterstützt, bis die Ausstellung schließlich Anfang Juni eröffnet wurde. Zu meinen Aufgaben gehörte einerseits der Leihverkehr, die logistische Vorbereitung der Kunsttransporte und die Kommunikation mit Künstler*innen und Leihgeber*innen. Andererseits half ich auch beim Aufbau der Ausstellung, dem inhaltlichen Recherchieren zu Ausstellungsthemen und dem Erstellen einer eigenen historischen Führung, die ich dann eigenständig durchgeführt habe. In den ersten Monaten bedeutete dies vor allem Büroarbeit im Kulturamt, ab Mai war ich dann auch beim Aufbau handwerklich tätig. Gerade diese Abwechslung hat mir viel Spaß gemacht!

 

Du warst damit sowohl praktisch als auch organisatorisch eingebunden. Welche Kompetenzen aus dem Studium konnten Dir in diesem abwechslungsreichen Arbeitsalltag weiterhelfen?

Besonders der Umgang mit Zoll, Logistik und Versicherung der Kunstwerke waren neu für mich, hier habe ich viel gelernt. Durch mein Studium fiel es mir aber recht leicht, Zusammenhänge schnell zu erschließen und strukturiert an größeren Projekten zu arbeiten. Doch am meisten konnte ich davon profitieren, historische Themen im Rahmen von Führungen an verschiedene Besuchergruppen zu vermitteln.

 

Deinen geschichtswissenschaftlichen Hintergrund konntest Du also in die Arbeit im Kulturamt einfließen lassen. Gab es denn viele Anknüpfungspunkte zwischen Public History und dem künstlerischen Ansatz der Triennale?

Ich war mir zunächst nicht sicher, ob das Praktikum thematisch zu meinem Studiengang passen würde, besonders da ich mich in den letzten Semestern auf Kolonialgeschichte fokussiert hatte. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass ich durch die Hintergründe der Kunstwerke mehr über die Vermittlung kolonialer Geschichte lernen durfte, als ich es mir hätte vorstellen können: die Auswirkungen europäischer Kolonialherrschaft in Afrika gehörten zu einem der wichtigsten Aspekte der Ausstellung.

 

Hast Du dafür ein inhaltliches Beispiel?

Sehr gerne! Ich konnte durch meine Arbeit sehr viele tolle Künstler*innen kennenlernen – das war gleichzeitig auch ein persönliches Highlight für mich. So traf ich zum Beispiel die namibische Künstlerin Vitjitua Ndjiharine. Als Nachfahrin eines Herero-Chiefs setzt sie sich auf kreative Weise mit ihrer vom Kolonialismus geprägten Familiengeschichte auseinander. Durch persönliche Gespräche und eigene Recherche mit Künstler*innen und Kurator*innen wurde mir eine neue Perspektive auf Kolonialgeschichte und den Umgang mit kolonialen Kulturgegenständen ermöglicht. Dazu fällt mir noch ein: Ich konnte sogar eine Gruppe von Studierenden aus Namibia innerhalb der ‚Namibia Initiative‘ des Landes Baden-Württemberg durch die Ausstellung führen. Die Gespräche in diesem Format waren auch sehr bereichernd für mich.

 

Die Arbeit im Kulturamt für die Triennale hat Dich damit auch spezifisch für Dein Studium weitergebracht. Würdest Du den Erfahrungszuwachs durch ein Praktikum also insgesamt als bereichernd erachten?

Ja. Die Möglichkeit, ein Praktikum im Rahmen des Studiums zu machen, ist meiner Meinung nach einer der besten Aspekte des Studiums. Gerade für Historiker*innen, die nicht für einen spezifischen Beruf ausgebildet werden, ist es wichtig, einen ersten Schritt in die Arbeitswelt zu wagen. Ich wurde glücklicherweise vom Team des Kulturamts sehr herzlich aufgenommen, habe die Möglichkeit bekommen, eigene Ideen einzubringen und kann auch für mein weiteres Studium sehr von dem Erlerntem profitieren.

 

Das war’s schon. Vielen Dank für das Interview!

 

Ein Interview von Timo Mäule

 


Interview vom 09.11.2022, Stuttgart.


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