Wie man vom Geschichtsstudium zum Journalismus kommt? Ganz einfach: Man braucht einen dreisten Freund beim Radio, der einen ins kalte Wasser wirft …und natürlich noch ein paar Zusatzqualifikationen. Jacqueline Laci ist Schatzsucherin im Kreisarchiv Reutlingen. Ihr Fachwissen aus der Geschichtswissenschaft verbindet sie mit ihren Fähigkeiten aus dem Journalismus, um historische Inhalte für eine breite Masse aufzubereiten und erfolgreich zu vermarkten.

Vom Geschichtsstudium zum Journalismus
Ich treffe Jacqueline Laci in den Räumlichkeiten des Kreisarchivs in der Bismarckstraße in Reutlingen. Seit anderthalb Jahren arbeitet sie in der Stabsstelle Kultur des Landratsamtes und ist dort für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Nach ihrem Staatsexamen in Geschichte und Französisch an der Universität Stuttgart entschied sie sich gegen den Schuldienst und für den Journalismus. Der Nebenjob beim Nighttalk des Radiosenders bigFM war ihr journalistischer Einstieg. Eines Tages fragte sie ein Freund, ob sie denn nicht Lust habe, beim Radio zu arbeiten. Laci war zunächst nicht überzeugt, doch der Freund ließ nicht locker und stellte sie bei einem Besuch im Studio kurzerhand vor vollendete Tatsachen. Denn hätte Laci in diesem Moment abgelehnt, hätte die Sendung nicht live on air gehen können. Durch den Adrenalinkick fand sie Gefallen an der Arbeit und nahm das Jobangebot an. „Rückblickend bin ich super dankbar“, sagt sie im Interview.
Doch nicht nur persönliche Kontakte können die Türe zum Journalismus öffnen, weiß Laci und hat hierfür gute Tipps parat: „Klar wollen alle zum Spiegel oder zu extra3“, sagt sie, rät davon aber erstmal ab. Hospitanzen und Praktika bei lokalen Medien seien leichter zu bekommen und böten einen idealen Einstieg, denn vor allem die kleineren Medien suchen Nachwuchs. Außerdem nennt sie Journalistenschulen als Einstiegsmöglichkeit. Sie selbst absolvierte eine Journalistenausbildung am Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) in München. Über einen Zeitraum von drei Jahren belegte sie studienbegleitend Theorieseminare. Die Praxisblöcke verbrachte sie bei der Lindauer Zeitung, bei ZDF logo! und hospitierte schließlich beim SWR, wo sie als freie Journalistin übernommen wurde.
Vom Journalismus zur Öffentlichkeitsarbeit
Die Corona-Pandemie brachte für viele Branchen Unsicherheit – auch für freie Journalisten und Journalistinnen wie Laci. So wechselte sie in die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – „quasi die dunkle Seite der Macht“, wie sie mit einem Augenzwinkern anmerkt. Zwar stand auch das Referendariat zur Debatte, doch die Aussicht darauf weckte bei ihr nicht mehr genug Enthusiasmus. Schließlich trat sie eine Stelle im Büro des Landrates in Reutlingen an. Während ihrer dortigen Tätigkeit nahm sie an den Bildungstagen des Bundes teil und absolvierte Weiterbildungen an der deutschen Presseakademie in Berlin, etwa zu Krisenkommunikation, Change Management und Pressearbeit.
Von der Öffentlichkeitsarbeit zur Wissensvermittlung
Vom Büro des Landrates wechselte Laci in die Stabstelle Kultur und fand damit zurück zu ihren geschichtswissenschaftlichen Wurzeln. Dort pflegt sie seitdem die Social-Media-Kanäle[1], beantwortet Fragen, dreht Reels, kümmert sich um die Website[2], managet Veranstaltungen und ganz wichtig: sie ist als Wissensvermittlerin auch „Schatzsucherin“. Sie sucht nach spannenden Themen für die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises und damit nach Möglichkeiten, wie man das Archiv noch bekannter machen könnte. Dass die Arbeit von Laci und des Kreisarchiv-Teams Früchte trägt, zeigen die vielen gut besuchten Angebote und Veranstaltungen und die rege Interaktion im digitalen Raum. Auf meine Nachfrage hin, was sie seit ihrer Arbeit im Kreisarchiv besonders begeistert hat, kommt Laci kurz ins Nachdenken und resümiert dann: das vielfältige Feedback der Bürgerinnen und Bürger habe sie am meisten berührt. Mit Begeisterung erzählt Laci von leuchtenden Kinderaugen bei den großen Veranstaltungen wie dem Tag der Archive oder dem Burgenevent in Pfullingen.
Derzeit bereitet Laci intensiv den 83. Südwestdeutschen Archivtag im Juni 2025 vor. Diese Aufgabe liegt in ihrem Zuständigkeitsbereich, da Dr. Marco Birn, der Leiter des Kreisarchivs, gleichzeitig Präsident des Südwestdeutschen Archivtags ist. Die jährlich stattfindende Tagung bietet Archivarinnen und Archivaren eine Plattform zum Austausch, zur Vernetzung sowie zur Weiterbildung durch Vorträge und Workshops. Im vergangenen Jahr war Laci für die Schulung der Teilnehmenden zuständig und vermittelte Strategien zur Geschichtsvermittlung über Social Media, wobei sie den Archivarinnen und Archivaren zeigte, wie sie gängige Plattformen effektiv nutzen können.
Herausforderungen und Perspektiven
Als aktuelle Herausforderungen in der Gesellschaft identifiziert Laci einen großen Bedarf in der Erinnerungskultur und erwähnt die Befragung der Jewish Claims Conferece, bei welcher etwa 40 Prozent der 18–29-jährigen angaben, nicht gewusst zu haben, dass während des Nationalsozialismus etwa 6 Millionen Jüdinnen und Juden ermordet wurden[3]: „Da musste ich erstmal schlucken“, sagt sie und bestätigt mir, dass Archive eine Verantwortung hätten, dahingehend aktiv zu werden. Mit den Jugendguides[4], welche in der Gedenkstätte Grafeneck Führungen anbieten und an anderen Orten des Landkreises aktiv werden sollen, sind hier schon erste Schritte eingeleitet.
Auf die Frage nach zukünftigen Trends in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Archiven vermutet Laci, dass neben der Erinnerungskultur die Künstliche Intelligenz ein zentrales Thema bleiben wird. Archiven komme dabei die Verantwortung zu, sowohl die Chancen von KI zu zeigen – etwa im Umgang mit handschriftlichen Quellen – als auch auf die Risiken hinzuweisen. Insbesondere gehe es darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass KI historische Dokumente generieren, umdeuten oder verfälschte Bilder erzeugen könnte.
Insgesamt resümiert Laci, dass das Studium der Geschichtswissenschaft sehr hilfreich im Archiv sei, da man grundlegendes historisches Wissen und Quellenbewusstsein mitbringt. Ein indirekter Tipp an Bologna-Studierende: thematisch breitgefächert Veranstaltungen besuchen, um ein gutes Basiswissen zu erlangen. Lacis Credo für die Zukunft der Geschichtsvermittlung in Archiven: digitale Formate und Social Media nutzen, Livestreams anbieten, rausgehen zu den Menschen, den persönlichen Kontakt suchen und niedrigschwellige Angebote an die Bürgerinnen und Bürger machen.
Ein Interview von Alenica Michler
Interview vom 12.2.2025, Reutlingen
Fußnoten:
[1] Instagramkanal: @kultur_machen (10.5.2025)
[2] Website: www.kultur-machen.de (10.5.2025) und www.unsere-orte.de (10.5.2025).
[3] Ohne Autor: Viele Menschen wissen wenig über den Holocaust, in: tagesschau.de, URL: https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/holocaust-wissen-jewishclaimsconference-100.html (18.2.2025).
[4] Mehr zu den Jugendguides: https://www.kultur-machen.de/Jugendguides (10.5.2025).
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